Mittelbayerische Zeitung / Dienstag, 31. Januar 2012 / von Gabriele Mayer


Am Anfang war die Fotografie
„Familienbild“: Rayk Amelangs Malerei in der Jazzclub-Galerie im Leeren Beutel wirft viele Fragen auf.

Der Regensburger Künstler Rayk Amelang beschäftigt sich mit Fotografie. Sozusagen von der „anderen“ Seite her. Doch dies nicht nur, weil er es als Maler tut, und außerdem stets die schmutzig ockerfarbene Rückseite einer Leinwand bearbeitet. Auf dem Weg über die Malerei führt er uns vielmehr zum Foto zurück. Sein Ausgangspunkt sind bereits existierende Fotografien, zum Beispiel aus dem Familienalbum. In der neuen Ausstellung kommen auch alte Fotos, die er auf Flohmärkten erstanden hat und Fotos aus dem Internet dazu.

Es sind immer Bilder von Menschen, meist solchen, die sich zu einer Gruppe zusammengefunden haben, um fotografiert zu werden. Man sitzt dann bewusst, man blickt bewusst in die Kamera, man ist ordentlich angezogen, jedenfalls war das früher so. Für die Erinnerung.

Statt Gesicht ein weißer Fleck

Rayk Amelang malt diese Fotos nicht einfach nach. Das tut er auch ein wenig. Vor allem aber spart er aus. Oft sind die Gesichter nicht malerisch ausgeführt, sondern nur ein weißer Fleck. Oft sind die Körper der Personen nur umrisshaft nachgezeichnet, manchmal klaffen aber auch hier Lücken und nach dem angedeuteten Kleidersaum folgen keine Beine, sondern in gewissem Abstand nur die Schuhe. Doch egal was fehlt, stets erkennt der Betrachter, dass es sich im Ursprung um Fotos handelt, die hier zur fragmentarisierten Darstellung kommen, und die er natürlich vor seinem geistigen Auge vervollständigt.

Hier tritt die Vorstellung und Phantasie auf den Plan, das, woran der Betrachter sich selbst (fragmentarisch) erinnert. Die Soldatenmütze: Der Mann, zu dem sie gehört, ist eine fast leere Stelle. Hat seine Uniform Abzeichen und wie sieht er aus, oder vielmehr, wie blickt er uns an? Hunderte von Soldatenfotos hat man schon gesehen. Ergänzt man nun eine Mischung all dieser Soldatenfotogesichter oder konstruiert man ein idealtypisches oder ein ganz bestimmtes, das man besonders kennt, wie passt dann das übrige Fotoarrangement dazu? Ergänzt und verändert man das in der Vorstellung dann auch so, wie es einem am nächsten kommt? Und wie kommt es einem am nächsten? Nicht in erster Linie Personen stellt man sich vor, sondern Fotos selbst und Situationen des Fotografiertwerdens. Diese sind heute anders als früher. Auf einem Bild legt ein Mann den Arm um ein Kind. Tut er das „wirklich“ oder nur, weil er fotografiert wurde.

Der Filter des eigenen Blicks

Eine andere der vielen Überlegungen, die diese Malerei generiert, ist zum Beispiel die Frage, wie wir im Normalfall Fotografien betrachten. Was sparen wir selbst bei der Betrachtung eines vollständigen Fotos aus? Wir sehen nicht auf einen Blick alles, sehen vielleicht nie alles und sehen vieles mit dem Blick, mit dem man Fotos anschaut und anzusehen hat. Was auf einem Foto nicht zu dieser Sichtweise oder zu unserer Vorstellung und Erinnerung passt, das wird vielleicht gar nicht wahrgenommen.

Was bedeutete es früher und was bedeutet es heute, Fotos anzusehen. Was steckt hinter dem Foto, allgemein und im Besonderen? Sind Fotos Zeichen oder etwas anderes? Zu solchen Gedanken führen uns diese spröden und poetischen Malereien.




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